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Gen-Mustern auf der Spur: Datenbanken verraten mehr über Antibiotika-Resistenzen

Die Mikrobiologin Dr. Oliwia Makarewicz leitet das Forschungslabor für Klinische Infektiologie der Jenaer Uniklinik. Neben der klassischen mikrobiologischen Forschung nutzt ihr Team auch computergestützte Datenbank-Analysen, um die Evolutionsgeschichte von multiresistenten Krankheitserregern besser zu verstehen und so eine genauere Diagnostik zu entwickeln.

UKJ-Mikrobiologin Dr. Oliwia Makarewicz

Auf der ganzen Welt gehört die Sequenzierung von Genen mittlerweile zum alltäglichen Handwerk der biomedizinischen Forschung - in den letzten Jahren sind so riesige Gen-Datenbanken entstanden. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese Daten nochmal sorgfältig nach Mustern von Resistenzgenen zu durchsuchen?

Oliwia Makarewicz: Wir gingen eigentlich davon aus, die weltweiten, offen zugänglichen Gen-Datenbanken seien schon längst umfassend ausgewertet. Deshalb waren wir sehr überrascht, als wir feststellten, dass vor uns noch niemand auf die Idee gekommen war, nach Beta-Laktamase-Genen zu suchen, die eine Resistenz gegen die häufig eingesetzten Laktam-Antibiotika vermitteln. Die vermeintlich schnelle Datenrecherche wuchs so rasch zu einem echten Forschungsprojekt: Wir analysierten Millionen von Datensätzen von Umweltkeimen, also jenen Bakterien, die uns zwar täglich umgeben, aber uns üblicherweise nicht schaden.

Weshalb interessieren Sie sich als klinische Forscher dafür, ob auch solche harmlosen Bakterien resistent gegen Antibiotika sind?

Die Umweltkeime sind leider nur auf den ersten Blick harmlos. In vielen von ihnen schlummert die genetische Bauanleitung für Resistenzmechanismen, die in ähnlicher Form auch in so manchem gefürchteten Krankheitserreger vorzufinden sind. Solche Bakterien produzieren bestimmte Stoffe, die sie gegen dutzende Antibiotika unempfindlich machen können. Eine Weitergabe dieser genetischen Information an andere Bakterien kann nie ausgeschlossen werden.

Schlimmstenfalls kann ein Resistenzgen aus der Umwelt also auch auf Bakterien übertragen werden, die den Menschen krank machen?

Ja, über kleine, ringförmige DNA-Moleküle - sogenannte Plasmide - können Bakterien selbst über Spezies-Grenzen hinweg Erbinformationen übertragen. Mit unserer Analyse konnten wir zeigen, wie weit verbreitet die genetischen Informationen für Resistenzen auch bei alltäglichen Umweltkeimen sind. Zwar ist der Gentransfer vom Umweltkeim auf für den Menschen gefährliche Erreger relativ selten, doch wenn ein Resistenzgen einmal den Weg in den Krankheitserreger gefunden hat, durchläuft es dort eine sehr schnelle Evolution und entwickelt viele neue Resistenzvarianten. Das erschwert die Diagnostik und die Therapie erheblich.

Die Bildung von Antibiotika-Resistenzen ist also ein Prozess der schon in der Natur häufig vorkommt?

Alle Antibiotika, die wir in der Klinik einsetzen, beruhen auf Wirkprinzipien, die sich der Mensch aus der Natur abgeschaut hat. Parallel dazu haben selbstverständlich auch Bakterien über Millionen von Jahren ein Arsenal an Gegenstrategien entwickelt, um sich zu schützen. Die Herausforderung für uns in der medizinischen Forschung ist es, bei diesem Wettlauf stets einen oder besser drei Schritte vorauszudenken. Das klappt am besten mit exakten und schnellen Diagnosen, damit Antibiotika gezielter eingesetzt werden können.

Und wie könnten diese Analysen großer Gen-Datenbanken bei der Verbesserung der Diagnostik und Therapie helfen?

Derzeit haben wir lediglich die genetischen Informationen ausgewertet und konnten bereits einen sehr hilfreichen Einblick in die Evolutionsgeschichte der Resistenzen erhalten. In Zukunft versuchen wir auch noch die dazugehörigen Metadaten wie Zeit, Ort, Umweltbedingungen oder Wirt mit einzubeziehen: So ließe sich viel genauer vorhersagen, welcher Bakterienstamm das Risiko trägt, künftig nicht mehr auf ein bestimmtes Medikament anzusprechen.


Das Interview wurde zuvor bereits in der InfectoGnostics-Broschüre "Hightlights 2016" abgedruckt.

Die Original-Publikation „In silico serine β-lactamases analysis reveals a huge potential resistome in environmental and pathogenic species” wurde in Scientific Reports veröffentlicht.